Ramona Schacht

»My covered (fem.) History«

Es ist ein Irrtum, dass es die Fabrikarbeiterinnen nicht mehr gibt. Es gibt sie – nur werden sie weiterhin unsichtbar gemacht. Geschah dies in der Zeit der Industriegesellschaft noch durch männliche Direktoren und Kapitalstrukturen, ist es heute eine globalisierte Arbeitsteilung und Digitalisierung, die die Arbeiterin verbirgt. In Ramona Schachts aktuellen Arbeiten geht es daher um das Herauslösen dieser Frauen aus der Anonymität. Damit öffnet sie ein Fenster der Auseinandersetzung mit der Gegenwart von weiblicher Arbeit. Ihr Ausgangspunkt begründet sich in der Arbeit »(Fem.) Ownership (Archiv Massiv, Spinnerei Leipzig)« aus dem Jahr 2021. Hier verwob sie erstmals Perspektiven und Bilder ehemaliger weiblicher Arbeiterinnen mit denen heute dort werktätigen Frauen. Im Rahmen ihrer Residency in Kiew 2021 recherchierte sie zusätzlich in Archiven und Sammlungen, fotografierte und interviewte junge Künstlerinnen sowie Textil-Akteurinnen der (post-)sowjetischen Textilbranche.

Die von Ramona Schacht in den Kiewer und Leipziger Fabrikarchiven erforschten Bilder bilden ein (fotografisch) beeindruckendes Reservoir an Utopie ab. Mit diesem Material als Ausgangslage macht sie sich an die Dekonstruktion einer eindimensionalen Erzählung von arbeitenden Frauen. Mit ihrer Darstellung einer fragmenthaften Vergangenheit bringt sie die diversen Blicke auf die weibliche Arbeitswelt in eine Gegenwart, die eine Herausnahme von weiblichen Körpern, ihre harten physischen Leistungen und ihren Empfinden aus den Archiven braucht.

Das Anliegen des künstlerischen Beitrags von Ramona Schacht zu den Darmstädter Tagen der Fotografie 2023 ist es, den weiblichen Erzählungen von Arbeit Gehör zu verschaffen. Diese künstlerische Übersetzungsarbeit besteht in Darmstadt aus einer Videosäule (Plattform der Arbeit) sowie einer Serie von Großdias. Die gezeigte Arbeit war Teil der soeben abgeschlossenen »We are« Ausstellung in der Städtischen Kunstgalerie Wolfsburg (2022/23).